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"Graffiti in Minden"
Graffiti in BS ...legal, illegal, ...? Ende Juni dieses Jahres durchsuchten 75 Polizeibeamte der Bahnpolizei neunzehn Wohnungen von Graffitisprühern aus Braunschweig und Wolfsburg. Ihnen wird vorgeworfen, an Zügen und Wänden der Bahn AG durch Graffities einen Schaden von mehr als einer Million Mark verursacht zu haben. Eine Polizeiaktion solchen Ausmaßes gegen die hießige Sprayerszene wurde so in Braunschweig noch nicht durchgeführt. SUBWAY gelang es mit zwei Mitgliedern der Braunschweiger Szene zu reden, die sich bereit erklärten über die Aktion und die Situation in Braunschweig zu erzählen. Der Kick Züge zu besprühen liegt klar auf der Hand. Der Ruhm, den man für ein gutes Graffiti bekommt, das noch dazu als fahrende Leinwand durch die Welt rollt, ist groß. Eingeweihte erkennen die Styles der einzelnen Sprüher und Crews wieder und zollen Respekt. Hinzu kommt, daß die nächtlichen Ausflüge mit den Dosen einen starken Nervenkitzel mit sich bringen. "Die Sprayerszene fängt in Braunschweig mit circa12 Jahren an und geht bis etwa 23 Jahre", so einer der befragten Braunschweiger Sprüher. "Ich wurde auch einmal erwischt. Es gab keine Klage, jedoch war das noch am Anfang der 90er. Wenn man jetzt erwischt wird, kann man schon gleich Arbeitstunden bekommen. Meistens sind es die Jüngeren, die dreizehn bis vierzehnjährigen, die rausgehen und illegal sprühen. Ich kenne einen, der hat immer weiter illegal gemalt, obwohl er schon öfter erwischt wurde. Der hat schon soviel Schulden, daß ihm das scheißegal ist." Harte Worte! Arbeitsstunden und Geldstrafen scheinen wohl nicht zu wirken. Dazu Hauptkommissar Leonardt der Bahnpolizei Hannover: "In vielen Fällen lassen sich Jugendliche heute nicht mehr abschrecken. Denen fehlt das Unrechtbewußtsein. Das liegt jedoch auch daran, daß in den Medien vermehrt nur über Betrug und Gewalt berichtet wird. Die Jugendlichen lesen jeden Tag, daß die Erwachsenenwelt betrügt und betrogen wird." Dennoch ist die Polizei verpflichtet strafverfolgend tätig zu werden. Wird ein Sprüher erwischt, so kann der Geschädigte seine Schadensersatzforderungen bis zu zehn Jahre aufrecht erhalten. D.h., daß ein 14 Jahre alter Sprayer auch noch mit 24 Jahren zur Kasse gebeten werden kann. Im Fall der Bahn äußerte sich der Pressesprecher der Bundesbahn in Hannover Frohns: "Eintausend Bahnwagen gibt es in Niedersachsen und Bremen, wovon 75% besprüht sind. Wir versuchen jedoch den Erkennungswert unserer Wagen für unsere Kunden durch ein einheitliches Design zu gewährleisten. Die Säuberungskosten für einen besprühten Wagen belaufen sich auf etwa 30.000 DM pro Wagen." Nun bestünde ja auch die Möglichkeit, daß die Bahn eine Anzahl an Zügen zum Besprühen freigeben könnte und die Sprüher unter Absprache mit der Bahn Motive entwickeln. Denn mittlerweile ist nicht mehr von der Hand zu weisen, daß Graffiti eine gesellschaftlich anerkannte Kunstform geworden ist und gute Bilder auf positive Resonanz in der Bevölkerung stoßen. "Wir haben jedoch keine Wagenkontingente und Flächen frei zum Besprühen. Es bieten sich keine Bereiche, um legale Möglichkeiten zu schaffen", so der Pressesprecher der Bahn. Im Gegenteil, es wird an neuen Lackierungen geforscht, die es ermöglichen Sprühereien sofort wieder abzuwaschen. Desweiteren bezweifelt Frohns, ob das Angebot von Sprüherseite aus angenommen werden würde. Auch HK Leonardt ist skeptisch: "Gerade das Verbotene, was man tut, reizt die Sprüher doch besonders. Sicherlich würden sich einige Sprüher an Wettbewerben, vielleicht auch mit Preisvergabe, beteiligen. Jedoch wollen doch viele unerkannt bleiben." Das hat auch seinen Grund, denn nicht selten sind Sprühern bei legalen Aktionen aufgrund ihres Stils illegale Werke nachgewiesen wurden. Daher sind auch die Sprayer sehr vorsichtig: "Für manche Ältere kann ich sagen, legale Wände sind okay, aber was sagt die nächste Generation, die jetzt kommt? Die einen sagen, o.k. ich höre mit illegalen Sachen auf, aber dann folgen neue Generationen. Die wollen damit wieder nichts zu tun haben. Die Leute, die illegal Malen wollen, malen auch illegal. Aber es gibt genug Sprayer, die auch legal malen würden. Es wäre wirklich gut, wenn es mehr legale Wände geben würde. An der Markthalle z.B. stehen immer Autos, dann gibt es Streß mit den Autofahrern, die Angst um ihre Wagen haben. Dabei malen wir nur an der Wand. Es müßte mehr Workshops geben von Leuten, die auch aktiv sprühen. Das würde die Qualität der Bilder bei vielen Sprühern verbessern." Die Polizei schätzt die Braunschweiger Szene auf etwa 800 Aktive. Mit dabei sind sowohl die Sprayer des harten Kerns als auch das Kid, das seinen Namen in die Straßenbahn kliert. Da werden die Grenzen wässerig. Graffiti, ursprünglich aus dem HipHop kommend, wird auch von Jugendlichen gemacht, die sonst mit HipHop-Kultur nichts am Hut haben. Das macht sich auch in der Szene bemerkbar. Ein Sprayer: "Die Leute, die nicht aus dem HipHop kommen, sehen nur, daß es angesagt ist. Die denken dann: Hey, das ist cool! Die anderen aus meiner Schule machen das, dann probiere ich das doch auch mal. Was mich im Moment stört, ist daß die Gewaltbereitschaft in der Sprüherszene so stark gestiegen ist. Wer Wände anderer Crews besprüht, wird bedroht oder kriegt 'was auf die Fresse. Es wird nicht mehr diskutiert, sondern gleich draufgehauen. Das geht meist von den Leuten aus, die nicht aus dem HipHop kommen. Die haben keinen Codex. Sie kennen nicht die Kultur von Graffiti, die Geschichte aus dem HipHop." Legale Ansätze werden z.B. von Jugendzentren gemacht, aber die Meinungen sind zu eingefahren, um tatsächlich etwas zu verändern. Die Stadt Braunschweig hat vor einiger Zeit eine Informationsbroschüre in den Umlauf gebracht, in der jedoch mit einer Präventionsmethodik gearbeitet wird, die meist nur vom erhobenen Zeigefinger lebt. Und wie war das nochmal mit dem neuen Lack der Bahn? Dazu ein Kommentar eines Aktiven: "Wenn die Bahn eine neue Lackierung in Umlauf bringt, dann werden wir sehen, wie es weitergeht. Vielleicht gibt es ja doch eine Möglichkeit, daß die Bilder trotzdem draufbleiben..."

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